Luiko (Kohn) Marie Luise

Luiko (Kohn), Marie Luise01marie luise kohn

* 25.01.1904 in München
? 1941 in Kovno/Litauen
Autor(in) Waldemar Bonardi
aus Vereinszeitung SAW 27

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Mitte der 1920er Jahre trat in der Münchner Kulturszene eine Persönlichkeit mit  dem Künstlernamen Maria Luiko auf, hinter der sich die Malerin Marie Luise Kohn verbarg. Das erste öffentliche Auftreten der gerade 20 Jahre alten Künstlerin in dem renommierten Ausstellungsforum des Münchener Glaspalastes war zugleich der Auftakt einer vielversprechenden Karriere.

Marie Luise Kohn wurde am 25.1.1904 in München geboren. Sie entstammte einer Familie des gehobenen Bürgertums. Die Eltern waren alteingesessene bayerische Juden, die Mutter kam aus Würzburg, der Vater Heinrich, der 1933 starb, war gebürtiger Münchner und Besitzer einer Großhandelsfirma für Getreide und Futtermittel. Marie Luise Kohn hatte eine ältere Schwester, Dr. Elisabeth Kohn (geb. 11.2.1902), eine der ersten Rechtsanwältinnen Bayerns. Bis zu ihrer Deportation wohnten die Schwestern mit ihrer Mutter im Münchner Stadtteil Neuhausen.
Biographische Daten über Maria Luiko haben sich verhältnismäßig zahlreich erhalten. Dies verdanken wir einem für sie sicherlich ärgerlichen Umstand, dem Verlust  aller Ausweispapiere, den sie im Sommer 1928 behördlich meldete. Aus den protokollarischen Aufzeichnungen, aus einem kurzen, von ihr selbst geschriebenen Lebenslauf, sowie Eintragungen in den Matrikelbüchern der Akademie der Bildenden Künste, können wir einen Teil ihrer Lebensdaten ablesen. Sie schrieb sich im Winter 1923/24 an der Akademie ein und studierte dort 8 Semester. Zuvor oder zur gleichen Zeit studierte sie an der Münchner Kunstgewerbeschule an der Luisenstr. 37, wo sie eine Zeitlang auch ihr Atelier hatte. Diese duale Ausbildung unterstreicht ihr breites künstlerisches Interesse und bereicherte ihre spätere künstlerische Tätigkeit. Die Skala ihrer Begabung ist an der Aufzählung ihrer Werke in Katalogen des Münchner Glaspalastes von 1924 bis 1931 abzulesen.





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Es werden neben Zeichnungen, Aquarellen und Ölbildern auch Scherenschnitte, Lithographien, Holzschnitte und Linoldrucke genannt. Außerdem schuf sie Buchillustrationen, so 1927 zu Ernst Tollers „Hinkemann“ (1923) und zu Ben-Chorins 1934 erschienenem frühen Gedichtband „Die Lieder des ewigen Brunnens“. Schon früh zeigte sich auch ihr großes Interesse an Literatur und Theater. Sie verkehrte in Münchener Künstler- und Bohèmekreisen und gehörte ebenso wie Shalom Ben-Chorin, Rudolf Ernst, Elisabeth Springer und Alfons Rosenberg zum Künstlerkreis um den Theaterwissenschaftler Professor Arthur Kutscher. Sie war Mitglied mehrerer Künstlervereinigungen, so zum Beispiel „Die Juryfreien“, in deren Jurorenteam sie 1931 die Künstler für die Ausstellung im Glaspalast auswählte. „Die Juryfreien“ hatten eigene Ausstellungsräume in der Prinzregentenstraße, wo Luiko nach dem Brand des Glaspalastes 1931 ihre Werke zeigen konnte.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten und ihre sofortigen Maßnahmen zur Entfernung der Juden aus dem gesellschaftlichen wie beruflichen Leben Deutschlands beendete viele künstlerische und wissenschaftliche Karrieren. Wie alle anderen jüdischen Künstler, wurde auch Maria Luiko aus dem „Reichsverband der Deutschen Künstler“ ausgestoßen und mit einem Ausstellungsverbot belegt. Sie engagierte sich daraufhin bei den Vorbereitungen für das Kulturprogramm des Jüdischen Kulturbundes in Bayern, Ortsgruppe München. Sie stellte ihr Atelier für Ausstellungen und Theaterproben zur Verfügung und entschied mit dem Vorstand des Kulturbundes über ein passendes Signet. Mit eigenen Werken nahm sie an verschiedenen Ausstellungen teil, so zum Beispiel an einer „Grafischen Ausstellung bayerischer jüdischer Künstler“ 1934 in München. 1935/36 entwarf sie das Bühnenbild für das Schauspiel „Sonkin und der Haupttreffer“ von Semen Juschkewitsch, das in den Räumen des Münchner Kulturbundes aufgeführt wurde. In dieser Zeit entstanden so eindrucksvolle Werke wie ihr Selbstbildnis, ein Portrait von Ben-Chorin“mit der Widmung „Ihrem lieben Freund Ali“ sowie das Ölgemälde „Die Marionetten“.

Das Verbot vom 1. Januar 1936, das allen jüdischen Künstlern untersagte einen Künstlernamen zu führen, muß Maria Luiko sehr getroffen haben, da sie unter diesem Namen in der Kunstszene bekannt war. Bedrohlich wurde in diesem Jahr für sie eine Denunziation von Nachbarn, die der Polizei gemeldet hatten, daß sich in Luikos Atelier „verdächtige Gestalten versammelten“. Die politische Polizei stellte daraufhin Nachforschungen an:
„Die vertraulichen Erhebungen bei der Ehefrau des Finanzrates Schmoll, Blutenburgstr. 12/II, und bei der im 3. Stocke wohnenden Witwe Amalie Spielbühler ergaben, daß die Kunstmalerin Marie Luise Kohn im 4. Stock des Anwesens ein Atelier besitzt und in Loristr. 7 wohnhaft ist.

Beiden Frauen ist schon seit einiger Zeit aufgefallen, daß hauptsächlich in den  Abendstunden oft 8-12 Juden beiderlei Geschlechts im Atelier zusammenkommen und dort bis in die späte Nacht verweilen. Vor etwa 14 Tagen sei es besonders lebhaft zugegangen. Daraufhin habe sich Frau Spielbühler in das Atelier begeben und sich die Ruhestörung verbeten. Von einem im Atelier anwesenden Juden habe sie erfahren, daß eine Theaterprobe abgehalten worden sei. Die Jüdin Kohn war an diesem Tage nicht anwesend. Seit diesem Tage sollen die Zusammenkünfte unterblieben sein.
Frau Schmoll und Frau Spielbühler sprachen die Vermutung aus, daß es sich hier um politische Zusammenkünfte handelt.“ (STAM, Pol.Dir. 14698)
In ihrer schriftlichen Stellungnahme zu dieser Anschuldigung, die sehr selbstbewußt mit dem Satz beginnt: „Ich bin von Beruf Kunstmalerin und besitze mein Atelier Blutenburgstraße 12/IV. “ erklärte Maria Luiko die Situation und wies darauf hin, daß sie ihr Atelier den Künstlern Dr. Paul Kuhn und Bernhard Renka für Probearbeiten zum Theaterstück „Sonkin und der Haupttreffer“ zur Verfügung gestellt hätte. Die Erklärung wurde von der Polizei nach weiteren Verhören und Nachfragen bei anderen Nachbarn akzeptiert und der Vorfall zu den Akten gelegt.

Dieses Ereignis, sowie die immer bedrohlicher werdende politische Lage, war sicherlich ausschlaggebend dafür, daß Maria Luiko in diesem Jahr mehrmals bei den Münchner Polizeibehörden Paßanträge für Auslandsreisen stellte, um Deutschland verlassen zu können. Die Anträge wurden immer wieder abgelehnt. So setzte Maria Luiko 1936 und 1937 ihre Tätigkeit im Jüdischen Kulturbund fort und führte mehrere Tourneen durch. Neben der Theaterarbeit fand sie aber auch weiterhin Zeit für ihren eigentlichen Beruf. Im April 1936 wurde ihr neben Rudolf Ernst und Elisabeth Springer die Ehre zuteil, als Repräsentantin der bayerisch-jüdischen Künstler an der „Reichsausstellung Jüdische Künstler“ im Berliner Jüdischen Museum teilzunehmen. Ihre Arbeiten wurden lobend erwähnt und zusammen mit denen von Ernst und Springer im August 1936 auch in München gezeigt.

Wir wissen auch nicht, wie Maria Luiko die Jahre zwischen 1937 und 1941 verbrachte. Bekannt ist nur, daß sie mit der großen Deportationswelle aus Bayern am 20.11.1941 zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Riga verschleppt wurde und dort im Raum Riga bzw. in Kovno/Litauen umgekommen ist. In einem Katalog zu einer Ausstellung der Münchner Galerie Wimmer & Co. von 1946/47, in der einige Werke von Maria Luiko neben George Braque, Pablo Picasso und anderen ausgestellt waren, ist vermerkt, daß sie in Lublin/Polen vergast worden sei. In einem 1955 herausgegebenen Leipziger Künstlerlexikon wird sie als polnische Künstlerin vorgestellt, die in Lublin ermordet wurde. Nachforschungen konnten die Behauptung, sie sei in Lublin ermordet worden, nicht bestätigen.2
 
1 Herausgegeben vom Münchner Stadtmuseum Buchendorfer Verlag 1994
2 Aktuelle Korrektur: Maria Luiko, ihre Mutter und Schwester sind in Kaunas / Litauen umgekommen.

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