Martha Heer-Maynollo

Name

Heer-Maynollo, Martha
* 26.08.1920 in Frankfurt   
✟   
Vereinszeitung SAW 06
Autor(in) Claus Weber

Scherenschnitte schon als Kind
Martha Heer-Maynollo wurde als Tochter einer Familie des bürgerlichen Mittelstandes am 26. August 1920 in Frankfurt am Main geboren, Ihr Vater war Prokurist in einem Kunstverlag, die Mutter allem Schönen zugetan, der Großvater ein hervorragender Grafiker und Graveur – „von ihm habe ich vermutlich den sicheren Strich geerbt“ meint sie.
Schon in der Kindheit schnitt sie mit Begeisterung, es waren hauptsächlich Gräser und Glocken-Blumen, an denen sie Freude hatte. Ihre Schulfreundinnen forderten sie auf: „Schneid‘ mir eine Blume, schneid‘ meinen Hund, du kannst das doch“. Angeregt durch Hermann Pfeiffers Illustrationen zum „Zupfgeigenhansel“ fühlte sie sich zu weiteren Versuchen ermutigt. Ihr Gedanke war: „Das kann ich auch“.
Masken und Figuren
Mitte der dreißiger Jahre, also mit etwa 13 bis 14 Jahren, war sie Mitglied des Zusatzchors der Frankfurter Oper und lernte dort auch zu schminken, die Arbeit der Maskenbildner. Masken überhaupt faszinieren sie noch immer, was man an vielen ihrer Arbeiten ablesen kann (Abb. 3, 4).
Damals schnitt sie auch Figurinen zu Schauspielszenen, der Intendant des Theaters ermöglichte ihr eine kleine Ausstellung unweit der Frankfurter Hauptwache. In jene Zeit fällt die erste Begegnung mit dem Werk Ernst Moritz Engerts: „von ihm bin ich optisch beeinflußt worden, mich beeindruckt seine Linienführung“. Ihre Frühwerke gingen mit wenigen Ausnahmen (Abb. l, 2) verloren, als ihr Elternhaus in Frankfurt im März 1944 während eines Bombenangriffs ausbrannte. Seit 1945 sammelte sie Belege und verwahrte sie, wie auch ihre Arbeiten, chronologisch zusammengestellt, in Ordnern. Und Schubladen („Das ist anders, als üblich, ich heb’s mal auf“).
Im Krieg war sie dienstverpflichtet, arbeitete als Landkartenzeichnerin und in einer Munitionsfabrik In dieser Zeit gab es fast nichts zu kaufen, mit Scherenschnitten- als Geschenke wollte sie anderen eine Freude bereiten. An einen Verkauf dachte‘ sie damals nicht vielmehr „waren mir meine eigenen Arbeiten nie gut genug, das kann doch jeder, dachte ich immer“! Nach dem Krieg durchlief sie mehrere Stationen in einem Kunstverlag und im Zeitungswesen. Zuletzt, bis zu ihrem Ruhestand arbeitete sie als Chef-Sekretärin der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg. Mehrere Umzüge gehörten zwangsläufig zu ihrem Leben. Einige Jahre verbrachte sie in Düsseldorf, wo sie an der Kunstschule in der Schriftklasse bei Prof. Köhler-Achenbach hospitierte. Seit 1956 lebt sie in Würzburg. Darauf angesprochen, welche Bedeutung der  Name Maynollo habe, gibt sie eine überraschende Erklärung: „Ich wohnte in einem Viertel, in dem es vier Familien mit dem Namen Heer gab. Unsere Post wurde oft vertauscht, deshalb ergänzte ich meinen Namen um den Geburtsnamen meiner Mutter, die Verwechslungen hörten auf, und es klingt doch auch ganz gut“
„Gedanken als Formen“
„Meine Scherenschnitte entstehen sehr impulsiv, die Darstellung springt mich als Impression fertig an“ erklärt sie und fügt hinzu „Auftragsarbeiten liegen mir weniger. Der Idee folgt sofort die Umsetzung, bei mir hat es keinen Zweck, etwas liegen („verkochen“) zu lassen“. Danach allerdings spielt sie ausdauernd und offensichtlich begeistert mit Formen und Ausdruck. Starke Anregungen empfing sie von den stahlplastischen Arbeiten Prof. Dr. C. F. Claussens, von deren Reduzierung auf das Wesentliche eines Ausdrucks sie stark beeindruckt war. Dieser künstlerische Weg ist bei ihren Arbeiten allerdings schon vor der Begegnung mit Prof. Claussens Werk festzustellen. Hintergründige Ironie und Doppelsinn werden bei manchen ihrer Schnitte und deren Titel deutlich. Der Betrachter spürt das Augenzwinkern, mit dem sie gearbeitet hat (Abb. 5). Ihre „Gedankenformen“, von ihr erfühlt und gestaltet, können in vollem
Umfang nur intuitiv erfaßt werden, der Zugang mit der Ratio ist zwar möglich, erschließt jedoch nie die ganze Fülle und Tiefe der Bilder. Die Schönheit und Vielfalt der Schöpfung faszinieren sie, diese zu zeigen war und ist ihr Anliegen.
Grafischer Eindruck
„Ich habe immer „anfallsweise“ geschnitten und tue das immer noch, wobei meist während einer Periode ein Motiv thematisiert wird.“ Sie abstrahiert, vereinfacht arbeitet linear-grafisch, gelegentlich flächig. Immer erkennt man die Freude an der Variation der Fenn, an unterschiedlicher Gestaltung desselben Themas, der gedanklichen und formalen Betrachtung aus verschiedenen Richtungen. Bei ihren Masken und Gesichtern wird nicht die Silhouette gestaltet, vielmehr bleiben die Umrißlinien stehen, das Bild wirkt fast „gezeichnet“ (Abb. 6). Hier werden die Einflüsse des Großvaters, wie auch Ernst Moritz Engerts und der Ausbildung in Schriftgestaltung deutlich.
Bilder der Intuition
Beeindruckend sind Collagen, die sie aus den unveränderten Ausschnitten der Scherenschnitte komponiert (Abb. 7 und 8). Sie sind ausdrucksstark und überraschen durch die vielfältigen Möglichkeiten der Aussage. Es ist faszinierend, was diese Künstlerin aus „Resten“, aus „Abfall“ gestaltet In diesen Werken, die sie auch „Restebilder“ nennt, fühlt man ihre Intuition, ihre Spontanität besonders stark, man empfindet, dieses Bild kommt aus der Seele. Die Komposition ist nicht geplant, sie ist empfunden, erfühlt, erlebt.
Die Technik
Martha Heer-Maynollo schneidet ihre Arbeiten ohne Vorzeichnung, also frei. Allenfalls fertigt sie eine grobe Skizze, allerdings nicht auf dem Scherenschnittpapier, sondern separat Gelegentlich und bei sehr großen Bildern kennzeichnet sie wenige, wichtige Stellen durch Positionspunkte. „Ich zeichne mit der Schere“, betont sie, „aber ich schneide auch, vor allem längere, glatte Linien mit dem Messer“. Messerschnitt und Scherenschnitt stehen gleichberechtigt nebeneinander, mit dem einen Werkzeug wird gearbeitet, mit dem anderen, falls erforderlich, nachgebessert Ähnlich, wie wir es von Josi Meidinger kennen, schneidet Frau Heer-Maynollo mehrere übereinandergelegte Lagen Papier. Dabei verwendet sie neben Scherenschnittpapier – höchstens 3 Lagen – auch Seidenpapier; dann sogar bis zu 10 Lagen gleichzeitig. Sie benutzt verschiedenfarbige Seiden-Papiere, klebt aus den entstandenen Figuren interessante Collagen, die leider im Schwarz-Weiß-Druck nicht wirkungsvoll dargestellt werden können. Spiel mit Farben. Bei Köpfen und Masken hinterlegt sie die Flächen zwischen den schwarzen Umrißlinien gerne mit verschiedenfarbigen Metallfolien, wodurch ein verblüffender Eindruck entsteht, der durchaus gewöhnungsbedürftig als möglicher Weg in die Farbe aber bemerkenswert ist. Es entstehen interessante Unterschiede im Ausdruck eines einzigen „Urschnittes“.
Zusammenfassung
Martha Heer-Maynollo arbeitete ein leben lang als Scherenschnittkünstlerin im. Verborgenen. Ihr war nicht bewußt, daß sie mit den meisten ihrer Arbeiten den Bereich „Kunsthandwerk“ verließ und aussagekräftige Kunst schuf. Aus Spaß an der Umsetzung von Gedanken in form und um anderen Menschen eine Freude zu bereiten gestaltete und gestaltet sie Werke des Scherenschnitts, in denen sie ein Thema nicht rational, sondern emotional interpretiert. Ihre Arbeiten hinterlassen starken Eindruck, sie rühren an, sie lassen schmunzeln.

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