Günst, Bettina

Bettina Günst21-3

Autor(in) Hartmut Klug
SAW 21

 

 

 

Bettina Günst – eine Doppelbegabung

Eines Tages flatterte mir die Einladung zu einem Musikfest ins Haus, vorn drauf war ein Geiger, als Scherenschnitt.
Nun ist die Geigenhaltung wirklich das Unnatürlichste, was es gibt (mir wurde sie als Kind 20-1abverlangt…) und für den Silhouettisten kommt die Schwierigkeit hinzu, all die Überschneidungen genau in dem Moment zu erfassen, wo man alle ausdrucksbestimmenden Körperteile, die Geige und den Bogen in glaubhaftem Zusammenspiel erkennen kann. In diesem Falle erkannte ich blitzhaft: Hier hat jemand einen Scherenschnitt gemacht, der etwas von Musik versteht! Auf diesem Umweg kam eine höchst ersprießliche Bekanntschaft zustande mit einer Künstlerin, die tatsächlich zweifach eine solche ist. Zunächst tauschten wir per Post einige für uns typische Schwarzweißbilder aus und entdeckten sehr viel „Verwandtschaft“: der bildnerische Blick auf das musikalische Motiv, der humoristische Anflug und sogar technische Einzelheiten waren verblüffend ähnlich. Und nun habe ich die Ehre und das Vergnügen,

                        

Ihnen ein neues Mitglied des Deutschen Scherenschnittvereins vorzustellen: Bettina Günst, Cellistin, Mutter von drei Kindern, lebt in Kiel, ihr Mann ist von Beruf Kontrabassist. Als Scherenschneiderin ist sie Autodidaktin. Die Natürlichkeit ihres Talents kommt aus der Familientradition: Ihr Großvater war ein vielseitiger bildender Künstler, der wohl auch großen Einfluss auf seine Enkelin nahm, der Vater war Berufsmusiker. So ist es kein Wunder, wenn auch ihre Kinder wieder sich zeichnerisch, musikalisch und sogar scherenschneidend äußern (ein Schnitt der 8jährigen Tochter ist da ein schwungvolles Zeugnis).

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Es vollzieht sich das, was gelangweilte Kritiker herablassend als heile Welt apostrophieren (wo kämen wir hin, wenn sich das verlöre??), nämlich, dass mit der größten Selbstverständlichkeit Kinder die Tätigkeiten ihrer Eltern aufnehmen. Diese „mothertongue-method“ (wie sie der berühmte japanische Geigenpädagoge Suzuki nennt) ist die gründlichste Art, sich „Kunst“ anzueignen, ohne Schnörkel und Getue, fern allem berechnenden Kitsch. Wahrscheinlich muss man „vom Theater“ sein, um bei einer Komposition wie der „Prüfung von Pamina und Tamino“  den hundertprozentigen Spaß zu kriegen.

 

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Wie in einem Provinztheater so eine Illusion hergestellt wird, ist ja an sich schon komisch. Allein die Wichtigkeit, die der Theater-Feuerwehrmann bekommt, wenn der Unterbühnenmaschinist den Hebel dreht und die Sänger erst durch Wasser, dann durch Feuer schreiten müssen! Da hört man förmlich die schaurige Musik für Flöte mit der Paukenbegleitung, die Mozart dieser Szene angepasst hat. Und all das hat Bettina Günst mit Akribie eingefangen, kaum übertrieben, nur einfach meisterhaft erzählt! Ja, – was auswählen aus dem köstlichen Panoptikum ihrer Scherenschnitte? Da ist noch die Probe für ein Duett zwischen Cello und Geige. Die Frau mit der spitzen Nase unterbricht lächelnd den gerade zu hohen künstlerischen Schwüngen ausholenden Geiger, der über sein Einhalten selbst erstaunt ist. Der feine Realismus dieser Momentaufnahme sucht seinesgleichen! Kontrapunktisiert wird die Szene durch die prätentiösen, barocken Notenständer und die Kerzenbeleuchtung.

 

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Im Briefwechsel mit Bettina Günst fragte ich an, ob die auffallend häufige Spitznasigkeit ihrer Typen etwas mit ihrer eigenen Physiognomie zu tun habe, und prompt kam die Bestätigung in Form einer Fotografie, die wir hier, als Portraitsilhouette, geschnitten von Frau Ursula Kirchner, einfügen (Abb. 5). Im Schaffen eines Künstlers prägen sich gewisse Attitüden aus, die das Temperament und Gedankengut ihres Schöpfers widerspiegeln. Bettina Günst beobachtet ihre Umwelt mit größter Präzision, alles ist in Bewegung, die Proportionen stimmen, die Umrissführung lässt phantasievolle Einschnitte zu, das erzählende Beiwerk ist in Harmonie mit der Gesamtwirkung – es ist eine Freude, mit den Augen darauf spazieren zu gehen! Wir sollten gespannt sein, mehr von ihrer Kunst zu sehen, – Willkommen Bettina Günst!

 

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