Stubenberg Rudolf Wilhelm Herr von

Stubenberg Rudolf Wilhelm Herr von

* 02.01.1643 in Preßburg         stubi
? 28.01.1677 in
Autor(in) Claus Weber
aus Vereinszeitung SAW 5

 

Erste Künstler im 17. Jahrhundert
Eng mit dem Beginn der Scherenschnittkunst im deutschsprachigen Raum verbunden sind die Arbeiten des „Erbschencken in Steyer“ Rudolph Wilhelm Herr von Stubenberg1. Zwar war Stubenberg nicht der erste, von dem Schnittbilder bekannt sind, jedoch sind 61 seiner Werke im Original oder als Abbildungen überliefert, weitere drei in Briefen nachweisbar und beschrieben2. Die ersten freien Scherenschnitte sind in Stammbuchern zu finden, nach derzeitigem Forschungsstand durfte eine mit schwarzem Papier unterlegte Kreuzigungsszene der älteste sein. Er stammt von Hieronymus Bechler um 1596 und befindet sich im Stammbuch des Augsburger Patriziers Philipp Hainhofer.
Damals waren unter anderen Susanna Mayr (1600-1674) aus Augsburg und Anna Maria van Schurman (1607 -1678), „Juwel von Utrecht“ genannt, tätig. Von ihr sind zwei Schnitte bei S. Metken abgebildet.3

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                                                Jagd, Tanz und Zweikampf

Herkunft
Rudolf Wilhelm Herr von Stubenberg entstammte einem alten steyermärkischen Adelsgeschlecht, das sich bereits früh im 16. Jahrhundert der Lehre Martin Luthers angeschlossen hatte. Die Familie wurde enteignet und musste zunächst bei Verwandten in Niederösterreich Zuflucht suchen.
Der Vater Johann Wilhelm (1619-1663) verließ daher auch 1629 seine Heimat, lebte überwiegend in Sachsen und Oldenburg. Im Jahr 1641 kehrte er zurück und erwarb aus dem Nachlas seines ebenfalls emigrierten Onkels Georg (1560-1630) die Herrschaften Schallaburg und Sichtenberg in Niederösterreich5.

Kindheit und Behinderung
Der Künstler wurde am 02. Januar 1643 in Preßburg geboren, wohin seine Eltern, wie auch andere evangelische österreichische Adelige, mehr oder minder regelmäßige Reisen unternahmen, um lutherische Gottesdienste besuchen zu können. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er auf der Schallaburg bei Melk.
Ein einschneidendes Ereignis war die Lähmung beider Oberschenkel im zweiten Lebensjahr. Eine dreijährige Kur brachte zwar Besserung, allerdings blieb am linken Bein eine Behinderung zurück, weshalb er an „ritterlichen Übungen“ nicht teilnehmen konnte. Dies war um So tragischer, als sein Vater eine weithin berühmte Pferdezucht betrieb und zu den besten Reitern des Landes zahlte.

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                                    Beizjagd                                                Kahnfahrt

Der Hauslehrer
Rudolf Wilhelm war auch weiter sehr krankheitsanfällig. Dadurch wurde er auf den Bereich der intellektuellen Ausbildung beschrankt, für welche er sich allerdings besonders empfänglich erwies. Sein Vater, allem Geistigen aufgeschlossen, unterstutzte ihn dabei nach Kräften.
Er bemühte sich im Juli 1653 sogar, den in Nürnberg lebenden, berühmten Poeten Sigmund von Birken als Hauslehrer seines Sohnes zu gewinnen. Birken lehnte ab, empfahl jedoch den Juristen Paul Winkler (1630-1686), welcher die Stelle auch antrat.
Er bereitete in den folgenden drei Jahren seinen Schuler auf die standesgemäße Kavalierstour durch die Universitäten, politischen und kulturellen Zentren Europas Vor. Danach wurde Rudolf Wilhelm 1657 zur Fortsetzung seiner Ausbildung auf das protestantische Gymnasium nach Preßburg geschickt. Er absolvierte dieses und studierte Rechtswissenschaft an der Universität Wien, wohin sein Vater bereits 1658/59 übergesiedelt war.

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              Spiegelung                                                            Hasenjagd

Emigration und Reisen
Im April 1663 verstarb der Vater unerwartet früh, im Frühjahr 1664 zog Rudolf Wilhelm mit seiner Mutter nach Regensburg, seit den späten zwanziger Jahren ein ausgesprochenes Zentrum österreichischer Auswanderer. Er wollte den Erbstreitigkeiten und dem durch die Gegenreformation ausgelösten ständigen Druck zu konvertieren entfliehen.
Von hier aus trat er im Sommer oder Herbst des selben Jahres die unumgängliche „Kavalierstour“ an, die ihn über die Schweiz und Frankreich nach Spanien, England, in die Niederlande, über Hamburg, Westfalen, Sachsen und Böhmen schließlich nach Wien führte.

Familienvater
Am 13. Februar 1667 heiratete er in Kittsee Maria Maximiliana von Auersperg (1641-1668), die er vermutlich seit seiner Kindheit gekannt hatte. Die junge Familie ließ sich in Regensburg nieder, wo im Dezember 1667 seine Mutter und wenig später bei der Geburt eines Sohnes auch seine Frau starben. Um sich von den schweren Verlusten abzulenken, unternahm der Witwer eine siebenmonatige Reise durch Italien. Am 4. Juli 1670 schloss er eine neue Ehe mit Juliana Wild- und Reichsgräfin zu Dhaun (1650-1721). Aus dieser Ehe gingen ein Sohn und vier Töchter hervor, von denen zwei allerdings bald starben.

Der Sammler
In seinen Regensburger Jahren widmete er sich vor allem der Familie und schöngeistigen Interessen. So trug er ei ne beachtenswerte Sammlung von Kunstgegenständen zusammen; neben Münzen und Medaillen vor allem Handzeichnungen, Kupferstiche und Gemälde. Neben solchen deutscher Maler, wie Lukas Cranach, Werke so bedeutender Künstler wie Pieter Brueghel und Tizian. Ende der sechziger Jahre plante Stubenberg, wie schon sein Vater, einen Umzug nach Sachsen, wozu es allerdings nie kam. Immer wieder von Krankheit geschwächt starb Rudolf Wilhelm Herr von Stubenberg am 28. Januar 1677 im Alter von nur 34 Jahren in Regensburg, wo er auf dem Dreeinigkeitsfriedhof beigesetzt wurde. Schnitte tauchen erstmals auf. Die meisten erhaltenen Scherenschnitte Stubenbergs tauchten erstmals 1905 anlässlich der Silhouettenausstellung bei Karl Werkmeister in Berlin auf. Sie hatten sich als „Heft mit heiteren Schnitten weiß auf schwarz 1653-54“ im Kunsthandel befunden. In der „Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik“ 1914 konnten sie noch gezeigt werden, obwohl sie kurz vorher getrennt worden waren und sich nun im Besitz von Alexander von Bernus und Max Bucherer befanden. Die Schnitte Stubenbergs gingen 1941 mit der Sammlung Bucherer in den Bestand des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg über. Veröffentlicht wurde ein Großteil durch M. Knapp um 1916 und im Katalog der Sammlung Bucherer 1920.6

Welches Material und Werkzeug
Vor einer Wertung der Kunst Stubenbergs soll untersucht werden, ob er aus Papier, oder Pergament, mit Messer oder Schere geschnitten hat. Anhand der Bestande im GNM und ihrer Anfälligkeit entfallt die Möglichkeit einer eingehenden Untersuchung. Fest steht, dass alle Arbeiten Stubenbergs aus einem weißen Medium geschnitten wurden. Nahere Auskunft erhalten wir aus einem Brief Winklers an Birken vom 22. Juni 1654. Hier schreibt dieser, das im Moment für die Liebhaberei des Knaben nicht genügend Pergament im Hause sei und erst in einiger Zeit Nachschub aus Linz erwartet wurde.
Er habe aber seinen bescheidenen Vorrat herausgesucht und seinem Schuler zur Verfügung gestellt7. Eine Aussage Joachim von Sandrarts von 1675 gibt auch über das Werkzeug Auskunft: „ein absonderlicher Künstler in Pergament ausschneiden mit der Scheer gewest, dergleichen in Europa nicht wird zu finden seyn“8. Wir können fast als sicher annehmen, das Stubenberg seine überaus feinen Schnitte mit der Schere aus Pergament geschaffen hat.

                         

Erwähnung von Schnitten
Von Paul Winkler stammen auch die ersten Nachrichten über dessen künstlerische Tätigkeit. Mit dem erwähnten Schreiben vom 22. Juli 1654 an seinen Mentor Birken schickte er diesem „ein par stuklein von meines Jungen herrn unnützen arbeit, welche er in seinen müssigen stunden weil Er meistentheils sitzen muß, pfleget zu verrichten“9. In seinem nächsten Brief an Birken bezog er sich offensichtlich auf dessen Antwort. Er dankte für das Interesse und Lob für die Scherenschnitte, welches Rudolf Wilhelm sicher große Freude bereitet hatte, und versprach ihm, dass er neben dem „geharnischten Manne“ bald „eine zirliche Schaferey“ erhalten werde10.
Diese beiden Schnitte sind leider verschollen, ebenso das Wappen Birkens, welches Stubenberg nach einem zerbrochenen Wachsabdruck geschnitten hatte.
Die in diesen Briefen gewählten Ausdrucke „unnütze künste“ und „künstliche Lust-Hand-Arbeiten“11 stellen keine Abwertung dar, sondern kennzeichnen die Scherenschnitte als spielerische Beschäftigung lediglich für Mußestunden 12.

Zeitraum des Schaffens
Der Zeitraum seines Schaffens scheint nur auf die Jugendjahre beschrankt gewesen zu sein.05 Der erste datierte Schnitt, ein Alphabet stammt von 1653, Stubenberg war also zehn Jahre alt. Es ist einer der Schnitte, der durch die geschnittenen Initialen „R W H V S“ für die irrige Namensgebung „R. W. Hus“ verantwortlich waren, Knapp und Bucherer benutzten ihn noch Anfang dieses Jahrhunderts 13. Wie lange die Tätigkeit Stubenbergs mit der Schere gedauert hat, ist leider nicht mehr festzustellen.
Nachdem sich sein Gesundheitszustands im 13. Lebensjahr, also etwa im Jahr 1655, deutlich gebessert zu haben scheint, ist anzunehmen, dass sich der Jugendliche vermehrt anderen Interessen zuwandte. Die bereits erwähnte Bemerkung Sandrarts wurde 1675, also vor Stubenbergs Tod, in der Vergangenheitsform abgefasst. Sie last vermuten, dass er zu dieser Zeit nicht mehr geschnitten hat.14  
   
Künstlerische Wertung
Besonders hervorzuheben ist die geringe Größe der meisten überlieferten Stücke. Zum Beispiel die „Beizjagd“ 2,6 x 7,0 cm, eine „Kahnfahrt“ 0,9 x 3,6 cm. Der Grund dafür kann durchaus das teure Pergament gewesen sein. Allerdings wird durch sie das handwerkliche Geschick des Künstlers besonders deutlich.
Aber auch in künstlerischer Hinsicht überrascht er durch seinen Einfallsreichtum, So klappt er ausgeschnittene Bäume nach oben, durch das hinterlegte schwarze Papier wird der Eindruck einer Spiegelung der Bäume im Wasser erreicht. Er verwendet die aus einem Bild herausgeschnittenen Figuren für ein anderes und erreicht in diesem eine doppelte Wirkung, nämlich die eines Weiß- und   stu09 Schwarzschnittes.                   
Die Bildchen haben die Maße 1,7 x 5,6 cm und 1,8 x 5,0 cm.
 

                                                                                                                                  Treibjagd

Unter den religiösen Schnitten ist die Vogelpredigt des HI. Franziskus, ungewöhnlich für einen evangelischen Christen der Gegenreformationszeit.   

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                                               Vogelpredigt des Hl. Franziskus
                                                                                                   
Am häufigsten sind Jagd- und Kampfszenen überliefert. Kann man darin die Sehnsucht nach standesgemäßer Betätigung suchen, die ihm durch seine Behinderung versagt bleiben musste?
Auffallend ist, dass neben heimischem Wild, wie Hase, Hirsch, Wildschwein und Bar, auch exotische Tiere, wie Elefant und Strauß, auftauchen. Sogar auf Fabeltiere, wie Greif und Faun, wird Jagd gemacht.

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                                        Jagdszene mit exotischen Tieren

Neben den Symbolen von Tugenden, wie Justitia und Lastern, wie Luxuria fallt bei den mythologischen Bildern ein „Zauberwald“ besonders auf. Aus dem linken Baum wachsen Tiere, die uns in den Jagdszenen ebenfalls begegnen, aus dem rechten antike Götter, Pan, Merkur, Jupiter, Amor und Herkules.
Bemerkenswert ist, dass dieser Baum Von einem Mann mit der Axt bearbeitet wird, ein Sinngehalt, der uns heute verborgen ist.

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                                                          Zauberwald

Zusammenfassung
Die Scherenschnitte Stubenbergs entstanden im Zeitraum Von vermutlich nur 3 bis 4 Jahren. In der Auffassung seiner Umgebung, wohl auch seiner eigenen, stellten sie keine Kunst, sondern Spielerei, Ersatzbeschäftigung für Mußestunden dar. Trotzdem zeugen die bekannten Werke von souveräner Beherrschung der Schere und künstlerischem Einfühlungsvermögen. Seine Schnitte zeigen eine überzeugende Dynamik und Lebendigkeit. Er verstand es, dem Betrachter seiner Zeit den Eindruck zu vermitteln, Beteiligter zu sein.
 
Anmerkungen:
1 Aufsatz Dr. Monika Heffels zur Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum „Mit Messer und Schere“ (25.11.73-31.03.74),S. 3
2 Glaser, Silvia; Schnabel, Werner: Künstlerische Lust-Hand-Arbeit in Zeitschrift für Kunstgeschichte, S9. Band, 1991 Heft 3, S. 309
3 Metken, Abb. 28, 29
4 Bucherer, Max: Spitzenbilder, Papierschnitte und Portratsilhouetten, Dachau 1920
5 Glaser/Schnabel S.301
6 Bucherer, Max: Spitzenbilder, Papierschnitte und Portratsilhouetten, Dachau 1920 Knapp, Martin: Deutsche Schatten- und Scherenbilder aus drei Jahrhunderten, Dachau um 1916, Bucherer, Max: Spitzenbilder, Papierschnitte und Portratsilhouetten, Dachau 1920 Glaser/ Schnabel, S. 303
7 Glaser/ Schnabel, S. 303
8 Joachim von Sandrarts Academie der Bau-, Bild- und-Malerey-Kunste von 1675. Leben der berühmten Maler, Bildhauer und Baumeister, herausgegeben von A[rtur] R[udolf] Peltzer, München 1925, Neudruck 1971, S. 304
9,10,11,12,13 Glaser/Schnabel, S. 303
14 Fußnote 9 und Sandrart, S. 304

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