Über den Scherenschnitt

Als Henri Matisse (1869–1954) 1949 seine wandfüllenden Schnittbilder in einer großen Retrospektive im Musée National d‘Art Moderne in Paris ausstellte, waren sie heftiger Kritik ausgesetzt: »Müssen wir uns überhaupt mit diesen Schnittarbeiten auseinandersetzen, die, zusammen mit den dekorativen Wandbildern, die große Attraktion der Matisse-Ausstellung sein sollen? Ich halte sie für vollkommen unbedeutend und sie schaden den Gemälden, die direkt daneben hängen. Diese Arbeiten sind inakzeptabel.«

Heute – mehr als sechzig Jahre später –, gewinnt das Medium Scherenschnitt vermehrt an Akzeptanz. Man könnte sogar von einem Boom in der Gegenwartskunst sprechen. Zahlreiche internationale Künstlerinnen und Künstler entdecken seit den 1990er-Jahren ein als sehr veraltetes, ja verstaubtes Medium für sich neu und entwickeln sehr differenzierte Positionen, die vermehrt im Ausstellungsbetrieb gewürdigt werden. Auch in der visuellen Kultur ist die Prägnanz der Silhouette im Grafikdesign oder im Werbefilm prägnanter und präsenter denn je.

Die Renaissance des Scherenschnitts steht im Kontext mit anderen Transfers von Techniken, Formen und Motiven. Seit der Pop Art in den 1960er-Jahren ist es üblich, Triviales, Kitschiges, Subkulturelles oder Altmodisches in die Hochkunst zu überführen, neu zu sehen und diese damit letztlich zu bereichern. Die retrospektiv anmutende Technik fasziniert Hobbykünstlerinnen und -künstler wie international erfolgreiche Künstlerinnen und Künstler.

Als Erweiterung des Zeichnungsbegriffs erobert der Scherenschnitt heute den Raum und wird zum skulpturalen Objekt oder zur Installation. Aber auch das für den Scherenschnitt seit seinem Aufkommen bestimmende Ornament und die Figur werden rezipiert wie die Auseinandersetzung mit der Abstraktion oder die Tradition des Scherenschnitts. Die Historizität des Mediums dient dazu, semantische und symbolische Dimensionen in aller Tragweite offenzulegen.

Thematisch ist der aktuelle Scherenschnitt offen für alle Inhalte. Er deckt die Bandbreite zeitgenössischer Kunst ab. Das Spiel von Licht und Schatten, die Interaktion von positiver und negativer Form und die Perzeption von Präsenz und Absenz sind hierbei medienästhetische Qualitäten des Schnittbildes, die in jeweils eigener künstlerischer Strategie umgesetzt werden.

3 Antworten

  1. Jung Anette sagt:

    Bitte sagen Sie mir, was ist die richtige Schere für diese feine Kunst und wo kann ich sie kaufen. Danke

  2. Anna Tomie sagt:

    Auch ich kam auf diese Seite um Informationen über Materialien zu finden. Leider habe ich hier keine gute Übersicht gefunden. In dem Text über Gegenwartskünstler werden nebenbei einige Techniken/Werkzeuge erwähnt z.b. dass man mit Cutter oder mit Schere arbeiten kann.
    Ich habe schon eine Papier-Schere, die ist sehr klein und sehr spitz. Das sind schon mal Informationen, die beim Kauf helfen können. Ich hatte nach Informationen über Papier gesucht (für Schattenschnitt). Möglichst dünn wahrscheinlich?

    Es wäre wirklich hilfreich für alle Interessierten ohne Erfahrung eine grobe Liste zusammenzustellen. Keine „Markenempfehlung“, sondern nur eine Übersicht über geeignete Merkmale der Materialien. Mit einer Kinderschere und Tonkarton wird ein feines Motiv sonst nur in Frust enden…

    Vielen Dank.

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