Conny Riemers-Lahnstein
Autor/in Antje Buchwald
SAW 33
Der Besucher des Ateliers, der erfährt, dass alle Kunstwerke geschnitten sind, ist verblüfft über die künstlerische Technik, die prächtigen Farben und Vielfältigkeit. Und der Besucher, der nicht weiß,
dass es Scherenschnitte sind, denkt, die Werke seien Malereien.
Kunst ist die Suche nach dem persönlichen Stil, um sich auszudrücken. Im Scherenschnitt hat Conny Riemers-Lahnstein diesen Stil gefunden. Seit 1994 ist sie professionelle bildende Künstlerin. Sie macht Scherenschnitte, die auf zeitgenössische Weise Sein wiedergeben. Aber bis dahin war es natürlich ein langer Weg.
Conny Riemers-Lahnstein wird 1960 als ältestes von fünf Kindern geboren. In einer so großen Familie herrschte natürlich viel Trubel und die Kinder lernten, sich selbst zu beschäftigen. Der Vater absolvierte die Pariser Zeichenschule, aber da er hiermit schwer die Familie finanzieren konnte, musste er sie auf andere Weise ernähren.
Conny Riemers-Lahnstein erinnert sich gern an ihre Kindheit zurück. Die Eltern stimulierten ihre Kinder, kreativ zu sein, sei es, dass getöpfert, oder gezeichnet oder gemalt wurde. Es war für die Eltern auch wichtig, dass sich ihre Kinder frei entwickeln konnten und ihren eigenen Weg im Leben suchten.
Seit ihrer Jugend fühlte sich Conny Riemers-Lahnstein der Schönheit der Natur und der Spiritualität verbunden. Sie erinnert sich noch sehr lebendig, als sie im Alter von ein oder vier Jahren einen prächtigen Sonnenuntergang sah und dass sie plötzlich realisierte, dass da mehr sein muss zwischen Himmel und Erde.
Nach einer abgebrochenen Ausbildung zur Lehrerin arbeitete sie als Bürokraft und lernte zwischenzeitlich ihren Mann Bas kennen. Und mit Bas kam 1978 der Scherenschnitt in ihr Leben. Ihre Schwiegermutter hatte einst Scherenschnitte als Schmuck gefertigt und Conny Riemers-Lahnstein fand sie so schön, dass sie beschloss, auch welche zu schneiden.
Dies gelang ihr so gut, dass sie die Scherenschnitttechnik für ein Praktikum an der PABO (Pädagogische Akademie für den Basisunterricht) nutzen konnte. Oft fertigte sie Scheren-schnitte zusammen mit Gedichten an als Geschenk für Geburtstage oder Feierlichkeiten. Das Arbeiten mit Papier und Schere wurde zur Passion.
Nach fünf Jahren wurde sie gebeten, an der Freien Universität in Den Helder Unterricht im Scherenschnitt abzuhalten. Da sie wenig Unterrichtsmaterial hierzu fand, schrieb sie kurzerhand selbst ein Buch über ihre eigenen Methoden. Das Buch Knipkunst wurde ein großer Erfolg.
Sie gab zahllose Workshops für Anfänger und Fortgeschrittene und es erschien ihr zweites Buch Kleurrijke knipsels (farbige Scherenschnitte). Innerhalb dieser Ereignisse wurden ihre zwei Töchter geboren.
Inzwischen war sie fortwährend bestrebt, ihre Kunst weiterzuentwickeln. Obgleich autodidaktisch begonnen, nutzte sie die Chance, durch hartes Arbeiten und Experimentieren einen ganz eigenen Stil zu entwickeln. Vor allem wollte sie nicht in der ‚klassischen, volkstümlichen‘ Scherenschnittkunst stecken bleiben, sondern andere Themengebiete ausbilden: Porträts, Akte, Tiere und Gemütszustände.
Conny Riemers-Lahnstein kann glücklicherweise gut zeichnen. Zuerst fertigt sie Skizzen nach dem Modell oder nach ihrer Fantasie an. Dann wird diese Vorlage auf die Rückseite des Papiers übertragen und danach beginnt der eigentliche Scherenschnitt. Zuerst schnitt sie nur schwarzweiße Schnitte, aber dabei blieb es nicht.
Aufgewachsen ist die Künstlerin in Breezand, Nord-Holland, ein Gebiet mit kontrastreichen Farben, wo Bäume sich vom grellen Himmel abheben. Es ist ihre Passion, die Kontraste (und was sich dort dazwischen befindet) in ihren Werken mit Papier und Schere einzufangen.
1995 fand Conny Riemers-Lahnstein, dass die Zeit reif ist für eine Ausstellung. Sie wurde in der Nikolaskirche in Westerland initiiert. Danach kam der Ball richtig ins Rollen. Ihr Werk wurde bekannter. Sie wurde Mitglied einer Künstlergemeinschaft in Wijk bei Duurstede, wo auch ihre Schwester als Keramikerin arbeitete. Sie veranstaltete viele Ausstellungen, manchmal sechs gleichzeitig!
2000 zog die Familie Riemers von Den Helder nach Houten, aber weil die Künstlerin die See und Nord-Holland vermisste, zog man 2007 erneut um nach Heiloo. Die zwei Töchter, die mittlerweile für sich wohnen, haben die künstlerische Ader von ihrer Mutter geerbt. Beide absolvierten eine Kunstausbildung und arbeiten als Dozentin für bildende Künstler und als Designerin.
Auf die Frage, was am beeindruckendsten am Scherenschnitt sei, antwortet sie: „Durch die intensive Beschäftigung mit einem Scherenschnitt triffst du einen bestimmten Rhythmus, der mich in höhere Sphären bringt. Durch die Aufsicht werden die Dinge reiner, klarer, dadurch kann ich Widerstände in mir selbst durchbrechen und finde so mehr zu mir selbst.“
Glücklicherweise gibt es immer genug Inspiration, um zu schneiden. Kraft und Beseelung findet sie in der Natur. Die Ideen überkommen sie als das Wahre, ihr Werk kommt aus ihrem Herzen. Wenn der Scherenschnitt fertig ist, kommen tiefere Gedanken und Worte, zuweilen ganz von selbst. Während des Aufenthalts bei PABO besuchte sie einmal einen Kurs für Gedichte. Das Dichten ist für sie wesentlich geblieben. Das Resultat des Zusammenkommens von Scherenschnitt- und Dichtkunst ist in dem Buch Zonsopgang (Sonnenaufgang) von 2007 festgehalten. Sie hält immer eine sichere Balance, das ist deutlich in ihrem Werk zu sehen, sowohl die Komposition als auch die Farben sind wichtig für sie.
Der Bildhauer Michelangelo soll gesagt haben, dass die Figur sich bereits im Marmorblock befände, er brauche sie nur herauszuschlagen. Ähnlich geht es Conny Riemers-Lahnstein. Sie bestreicht das Papier mit Acrylfarbe, bis es sich vollgesogen hat. Danach hatte sie das Gefühl, eine Figur blicke sie an, sie brauche sie nur noch herauszuschneiden.
Ihr Galerist (Galerie Pi in Bergen) ermunterte sie, sich auch in anderen Materialien auszu-drücken. Ergebnisse können in einer kommenden Ausstellung bewundert werden. Neben ihrer Arbeit als bildende Künstlerin gibt sie mit viel Vergnügen Workshops für Anfänger bis hin zur Meisterklasse. Dabei kommt ihr zugute, dass sie über viel Geduld verfügt und ihre Kenntnisse gut vermitteln kann. Weiterhin hält sie Vorträge über die Schnittkunst. Damit aber nicht genug! – Sie tritt zudem als Madame Silhouette in einem prächtigen Kostüm mit Perücke vor großen Gesellschaften auf. Die frivole ‚französische‘ Dame aus dem 18. Jahrhundert schneidet die Silhouetten der Gäste.
Dieses Jahr feiert Conny Riemers-Lahnstein ihr 30-jähriges Jubiläum als Scherenschnitt-künstlerin.Ihr Lebensspruch ist immer gewesen: „Jeden Tag bekommst du die Chance, deine Träume herauszulassen.“ Ihre Träume, viele Talente, Kompetenz und Leidenschaft verhalfen ihr zu dem, wo sie nun steht und unzweifelhaft noch viel weiter kommt. Sie will mit ihrer Scherenschnittkunst etwas für die Ewigkeit machen, eine Spur hinterlassen. Und natürlich kann das funktionieren. Denn Conny Riemers-Lahnstein, die mit Herz und Seele schneidet, ist Vorbild für jeden, der die Chance nützt und seine Träume verwirklicht.
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