Helmuth Leopoldi
Autor/in Brigitte Birnbaum
SAW 20
Schon seit meiner Kindheit übten Scherenschnitte auf mich eine seltsame Anziehungskraft aus. Doch sooft ich auch Museen und Kunstgalerien besuchte, in eine Scherenschnittausstellung bin ich nie geraten. Das passierte mir zum ersten Mal vor Wochen in meiner Schweriner Sparkasse. Die Geschäftsstelle in der Magdeburger Straße präsentierte im Rundgang oberhalb ihrer Kassenhalle vom 5. November bis 30. November 2001 Scherenschnitte von Helmuth Leopoldi. Der Name verband sich für mich sofort mit dem von mir geschätzten Hans Heinrich Leopoldi (1917 – 1972), dem einstigen Direktor des Stadtarchivs Schwerin und wissenschaftlichem Mitarbeiter am Von-Thünen-Archiv der Universität Rostock. Er war der Vater des Scherenschneiders, und sein Großvater mütterlicherseits war der Landschaftsmaler Wilhelm Facklam (1893–1972), der die Schönheit seiner Mecklenburger Heimat auf die Leinwand gebannt hat.
In diesem häuslichen Umfeld wuchs der 1949 in Schwerin geborene Helmuth Leopoldi auf. In Schwerin besuchte er auch von 1956 bis 1966 die Schule (10. Klassenabschluss war damals Pflicht). Anschließend ließ er sich bei PGH „Werbung“ zum Schrift- und Plakatmaler ausbilden und arbeitete in dem Betrieb als solcher bis 1975. An den Wochenenden besuchte er von 1969 bis 1972 die Spezialschule für Zirkelleiter für Malerei und Grafik in Zietlitz. Und dort weckte einer der Dozenten, der Maler und Gebrauchsgrafiker Max Grüber, durch einen Vortrag über Papierschnitte Helmuth Leopoldis Interesse am Scherenschnitt.
Hauptberuflich blieb er bis 1989 auf dem Gebiet der Kultur tätig. Um allen Ansprüchen, zum Beispiel im Güstrower Kreiskabinett für Kulturarbeit gerecht werden zu können, studierte er zwischen 1976 und 1980 an der Fachschule für Klubleiter in Meißen. Manche freie Stunde wird er dem Scherenschnitt gewidmet haben. Mecklenburgische Volkskunstmotive, Wappen, Schriften, Zunftzeichen, Sakrales entstanden. 1983 fand in Plau am See seine erste Personalausstellung statt. Vier weitere folgten, und nun schaute ich mich in der Sparkasse in seiner fünften um. Einundzwanzig Arbeiten aus den Jahren 1984 bis 2000. Alles ansprechende Formate, die im Vorbeigehen nicht übersehen werden konnten. Und zum ersten Mal beeindruckte mich weniger die Technik der Kunstwerke. sondern weit mehr ihr Inhalt; die Anmut der Dargestellten, von der er in seinen schwarz auf weißen Schattenbildern erzählt. Moderne Frauen-Köpfe. Einzelporträts. Mit einem einzigen Schnitt der Schere hatte er ein Antlitz modelliert, das den ganzen Menschen charakterisiert. Da war das 1999 geformte „Mädchenporträt von vorn“ mit langem Haar und geschlossenen Augen. Schläft oder träumt die Schöne? Vom Schmetterling oben links im Bild? Träumt sie davon, fliegen zu können wie der Falter? Oder träumt sie von der Unsterblichkeit ihrer Seele, als deren Symbol er doch gilt. Auch auf anderen Arbeiten haben sich Schmetterlinge niedergelassen und mir fiel ein, irgendwo einmal gelesen zu haben, sie seien die letzten und einzigen in den Wiesen und Wäldern verbliebenen Elfen und Sylphen. Alles sieht bei Helmuth Leopoldi so einfach aus: die farbig unterlegte „Windmühle“ oder die „Kirche in Gischow bei Lübz“, ein Fachwerkkirchlein mit der Ochsenkopfwetterfahne anno 1715, links hinter der steinernen Mauer ein Engel auf einer Stele, über einem Grab wachend. Das Glanzstück der Ausstellung bildete für mich das Blatt „Einsamkeit“ (1985) und ich verstehe, dass es unverkäuflich ist. Gute künstlerische Einfälle sind selten und für Leopoldi möglicherweise auch gleich umsetzbar. Das Geld fürs tägliche Brot und was sonst noch zum Leben gehört, verdient er sich im „Paradies“, wie sein Großvater Facklam als Kind das Schweriner Museum am Alten Garten genannt hatte. Dort leiht er anderen Künstlern und Besuchern sein Wissen. Mögen seine Themen weiterhin so vielfältig bleiben und es ihm an der nötigen Zeit nicht fehlen), damit uns Helmuth Leopoldi bald wieder mit neuen Scherenschnitten erfreut.
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