Hensel Luise

Hensel, Luisehensel_01

* 30.03.1798 in Linum (Brandenburg)
? 18.12.1876 in Paderborn
Autor(in) Dr. phil. N. Luise Hackelsberger
aus: Vereinszeitung SAW 08

 

 

 

Wer Jesus war, wusste vor Zeiten jedes Kind, wer aber war der “Jesuru”? Mancher rätselte sein Leben lang und nahm schließlich das allabendliche Kindergebet ”Müde bin ich, Jesuru!” als gegeben hin oder vergaß es. Jedenfalls verhieß dieser Zauberspruch den Kindern angstfreie Nachtruhe mit dem schönen poetischen Schluss: ”Lass den Mond am Himmel stehn und die stille Welt besehn. Amen.”

Dies Gebet ”Müde bin ich, geh zur Ruh” stammt von einem frommen Fräulein, Luise Hensel, deren 200. Geburtstag am 30. März 1998 vor allem im brandenburgischen Linum gefeiert werden wird, Theodor Fontane erwähnt den Ort in seinen ”Wanderungen durch die Mark Brandenburg”. Freilich berichtet er da von Luises berühmterem Bruder, dem Maler Wilhelm Hensel (1794 – 1861), der mit der Komponistin Fanny Mendelssohn-Bartholdy verheiratet war, Schwester des ebenfalls berühmteren Felix.

Und ebenso innig verbunden wie Fanny und Felix blieben sich auch ein Leben lang Luise und Wilhelm Hensel, die Pfarrerskinder, die nach dem Tod des Vaters mit Mutter und Schwester 1810 nach Berlin zogen, wo man sich kümmerlich durchbrachte.

Fiel Wilhelm schon in jungen Jahren durch sein großes Zeichentalent auf, so war auch Luise begabt im Malen, Zeichnen und Ausschneiden von Bildern, getrockneten und aufgeklebten Blumen, wie im Schneiden der Köpfe von Verwandten und Freunden.

Luise Hensels Leben ist in ihren Tagebüchern minutiös dokumentiert, wenn auch in ihnen mehr von ihrer inneren Entwicklung die Rede ist, als von ihrem beinahe ruhelos anmutenden Wanderdasein mit vielen wechselnden Orten und geselligen Kreisen. Die Außenwelt schien ihr unwichtig zu sein, ernsthaftes Gottsuchen und immer wieder erhofftes Gottfinden waren ihr Lebensthema.

Als Kind war sie ungebärdig, spielte Bubenspiele, wurde ”die Wilde” genannt, jedoch durch die Erziehung der Mutter allmählich gebändigt, in den letzten Lebensjahren ihres Vaters auch durch dessen Predigten und immer wieder gehörte Kirchenlieder in andere Bahnen gelenkt. Solche Kirchenlieder hat Luise bereits in ihren frühen dichterischen Versuchen nachgeahmt, die sie in abenteuerlicher Orthographie mit Stecknadeln in die Gartenkürbisse Linums einritzte.

In den ersten Berliner Jahren konnte schon die 14jährige Realschülerin durch Stickereien und das Anfertigen von Scherenschnitten und Portraitsilhouetten etwas Geld in die kümmerliche Haushaltskasse der Familie einbringen.

In der Schule waren Naturwissenschaften ihre bevorzugten Fächer, im Religionsunterricht wurde sie von Zweifeln geplagt und vermied es, bei ihrer Konfirmation am 31. März 1813 sich zum ”Protestantismus” zu bekennen, sondern wählte den allgemeineren Begriff ”Christentum”.

Der preußische Krieg gegen Napoleon rief vaterländische Gefühle in ihr wach, sie opferte ihren Schmuck für die Ausrüstung der Freiwilligen und dichtete begeistert vaterländische Lieder:

”Ihr seid uns nicht gestorben,

Ihr seid uns ewig nah,

Die Kron habt ihr erworben,

Heil Euch und Gloria!”

Durch den Bruder Wilhelm fand Luise bald Zugang zu den literarisch und künstlerisch interessierten Kreisen Berlins. Beide Geschwister waren heitere, gesellige Naturen, poetisch und zeichnerisch begabt. Der Chronist Franz Binder berichtet in seinem ”Lebensbild Luise Hensels” (Freiburg 1885, S.43-44): ”Zu ihren geselligen Talenten gehörte neben ihrer dichterischen Begabung auch ihr Zeichentalent. Wie Luise dem Bruder in so vielem glich, so teilte sie mit ihm auch die Liebe zur Bildenden Kunst. Eine Zeitlang nährte sie ganz ernstlich den Wunsch, sich ebenfalls zur Malerin auszubilden. Allein bei den beengten und gedrückten Verhältnissen, unter welchen die Mutter lebte, musste ihr die Ausführung dieses Wunsches versagt bleiben. Eine kleine Errungenschaft indessen blieb ihr von dieser frühen bildnerischen Neigung. Sie hatte sich eine große Fertigkeit im Ausschneiden graziöser Bildchen in Silhouetten-Manier angeeignet, und auf diese anspruchslose Kunst-Übung, welche indes manche gesellige Runde erheiterte, beschränkte sich zuletzt ihre Liebhaberei. Ihr sinnreiches Wesen konnte sich auch auf diesem bescheidenen Gebiete erfinderisch gestaltend ergehen, und die Beschäftigung wurde für sie und andere fortdauernd die Quelle kleiner Freuden. Denn dieses ihr Talent ward in der Folge unzählige Mal in Anspruch genommen, und die zierlichen Bilderausschnitte wurden bald ebenso beliebt als viel begehrt.” In ihren Erinnerungen schildert die Schriftstellerin Wilhelmina v. Chézy Luise, bereits erwachsen, als ”vollendete Schönheit und dennoch liebenswürdiger als schön…” und dass ”ihre Vergissmeinnicht-Augen für sich allein mehr Anziehungskraft ausübten als die ungezählten Augen am Bachesrand.”

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Entzückt von ihr war auch der Dichter Clemens Brentano, der ihr früh in Berlin begegnete und lang um sie geworben hat. Ihren zahlreichen Verehrern aber ließ Luise merkwürdige selbstgedichtete Verse zukommen:

”O armer Jüngling, wisse, bald
Ist all das hin, was du geliebt,

Geknickt die blühende Gestalt,
Die jetzt den Zauber auf dich übt.

Denn eine Blume bin ich nur
und kurz ist alles Erdenblühn…”

Es wurde ihr immer klarer, dass ihr Gottsuchen an erster Stelle stehen musste. Sie forschte nach den Quellen der Religion und besiegelte das 1818 mit ihrer Konversion zur katholischen Kirche. Zeitweilig war ihr größter Wunsch, in ein Kloster einzutreten, aber die Hindernisse, die sich immer wieder auftaten, ließen sie schließlich erkennen, dass ihr das Dienen in der Welt, im ”bunten Weltenleben” und an wechselnden Orten mehr lag. Und so wurde der Wechsel ihr Los: in tapferer tätiger Nächstenliebe sprang sie als Erzieherin, Pflegerin, Trösterin, Gesellschafterin überall da ein, wo sie gebraucht wurde.

Ein Leben lang hat sie um den religiösen Halt gekämpft, immer ihre eigene Unwürdigkeit beklagt. ”Laß Dich das nicht betrüben, es ist ein Faden in allen Dingen”, hatte ihr 1833 Clemens Brentano geschrieben.

Persönlich anspruchslos, wechselte Luise von Ort zu Ort, Kinder und alte Menschen liebten sie.

Im Herbst 1816, ”als ich in der Dämmerung auf- und abging” hat sie ihre wohl populärsten Verse gedichtet, das Abendgebet ”Müde bin ich, geh zur Ruh”.

Nach einem wechselvollen und ungewöhnlich aktiven Leben lebte sie in ihren letzten Jahren in Wiedenbrück, schließlich in Paderborn, wo sie am 18. Dezember 1876 starb.

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